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James Prescott Joule (1818 - 1889)
und das mechanische Wärmeäquivalent
1. Physik im Sudhaus
Wer Gewichtsprobleme hat, weiß, wie schwer der Kampf gegen überflüssige
Kalorien ist.
Überflüssig sind die Kalorien aber nicht nur im Hinblick auf
die gefürchteten Fettpölsterchen,
sondern inzwischen auch als Maßeinheit. Seit zwanzig Jahren ist
die Kalorie aus dem amtlichen Verkehr gezogen.
Dennoch hält sie sich noch immer hartnäckig gegen ihren Nachfolger,
das “Joule”.
Ob das nun an der Macht der Gewohnheit liegt oder an der schwierigen Umrechnungsfaktor
(1 cal = 4,1868 J)
oder nur daran, daß kaum jemand weiß, wie das Joule richtig
ausgesprochen wird (nämlich “dschuul”), das sei dahingestellt.
Tatsache ist, daß sich keine andere internationale Maßeinheit
so schwer tut, im Kreis der altbekannten Einheiten Ampere, Volt, Watt
und Co. Akzeptiert zu werden. Nur in wenigen Ländern ist die neue
Maßeinheit Joule bereits ohne Einschränkung im Gebrauch, beispielsweise
in Australien und Neuseeland. In vielen Staaten mag man sich von der guten
alten Kalorie bis heute nicht trennen, oder man leistet sich den Luxus,
die alte und die neue Maßeinheit nebeneinander anzugeben.
Wer war dieser Mr. Joule, nach dem diese unbeliebte Maßeinheit benannt
ist?
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2. Sorgenfreie Jugend
James Prescott Joule wurde am Weihnachtsabend des Jahres 1818 in Salford bei
Manchester geboren.
Er wuchs in einer gutsituierten Familie aus. Der Vater, Besitzer einer Bierbrauerei,
war um das Wohl seiner Kinder rührend besorgt. James hatte ein angeborenes
Rückenleiden. Bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr konnte er deswegen
die Schule nicht oder nur zeitweise besuchen. James und sein ältere Bruder
Benjamin wurden von Privatlehren unterrichtet. Die beiden Brüder hatten
eine schöne Jugend: Auf ihren Ponys ritten sie über Land, sie bestiegen
die umliegenden Berge, ruderten auf den Seen der näheren Umgebung und übten
sich im Schießen mit Kleinkalibergewehren und Pistolen. Besonderes Vergnügen
machte es ihnen, sich an den Bahndamm zu legen, um auf die “Rocket”
zu warten, die inzwischen legendär gewordene Lokomotive des ersten Personenzuges
auf der Linie Manchester-Liverpool.
Einer der Hauslehre machte mit den beiden Buben wissenschaftliche Experimente
mit einer Elektrisiermaschine und der Leidener Flasche (einem elektrischen Kondensator).
Gemeinsam wiederholten sie das nicht ganz ungefährliche Experiment des
amerikanischen Naturwissen-schaftlers und Staatsmanns Benjamin Franklin (1706
- 1790), mit einen Drachen die Luftelektrizität “einzufangen”.
So erlernten die Joulebrüder “spielend” die Grundzüge
der Elektrizitätslehre.
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3. Bierbrauerei als Lehrwerkstatt
Als James sechzehn Jahre alt war, wurde er mit seinem Bruder Benjamin zum berühmten
Naturforscher John Dalton (1766 - 1844) geschickt, dem Begründer der Atomtheorie.
Der alte Herr war bettelarm und mußte sich seinen Lebensunterhalt durch
Privatstunden verdienen. Mit besonderer Liebe nahm er sich der beiden Söhne
des reichen Bierbrauers an und brachte, ihnen die Grundzüge der Arithmetik,
Algebra und Geometrie bei. Für ihn, den großen Theoretiker, bildeten
diese Fächer die Grundlage der physikalischen Wissenschaften. Erst später
unterrichtete er seine Schüler über das Wesen der Materie und über
chemische Elemente und Reaktionen. An den freien Tagen mußten die beiden
Brüder in der väterlichen Brauerei arbeiten. Während sich Benjamin
um die Buchhaltung kümmerte, beschäftigte sich James mit den technischen
Einrichtungen. Das Funktionieren der Pumpen, die Vorrichtungen zu Kühlen
und Heizen der Sudkessel, besonders auch das Arbeiten mit komprimierter Kohlensäure
faszinierten den jungen Mann. Erfreut über das technische Interesse seines
Sohnes richtete ihm der Vater ein Laboratorium ein. Dort konnte der wißbegierige
James die Experimente praktische wiederholen, von denen John Dalton im Unterricht
theoretisch gesprochen hatte. Die Eltern Joule pflegten ein gastfreundliches
Haus; häufig trafen sich die Honoratioren und Gelehrten des Landes. Einer
der Gäste war der englische Physiker William Sturgeon (1793 - 1850), der
wenige Jahre zuvor den ersten Elektromagneten gebaut hatte.
Der Besuch des berühmten Wissenschaftlers regte den jungen Joule zu eigenen
Experimenten an. Mit primitiven Mittel baute er einen Elektromotor und untersuchte
daran die elektromag-netischen Kräfte. Die Ergebnisse veröffentlichte
der erst 18jährige im “Jahrbuch der Elektrizität”. Weitere
Aufsätze folgten im Abstand von wenigen Monaten. Sie betrafen die Leistung
von Elektromagneten, die Konstruktion eines neuartigen Galvanometers und die
Entdeckung, daß die Magnetisierung von metallischen Körpern einen
Sättigungspunkt zustrebt. Doch nicht alle Experimente führten zum
erträumten Erfolg. So scheiterte er - aus heutiger Sicht logischerweise
- an dem Versuch, mit Hilfe elektrischer Batterien ein “Perpetuum mobile”
zu bauen. Doch dieser Fehlschlag hatte auch sein Gutes: Joule erkannte, daß
eine solche Vorrichtung nicht funktionieren konnte, weil ein Teil der Energie
verloren ging. So wurde seine Aufmerksamkeit auf die Wärmeentwicklung stromdurchflossener
Leiter gelenkt. Er brachte ein mit einem Draht umwickeltes Glasröhrchen
in ein wassergefülltes Gefäß. Mit dieser einfachen Versuchanordnung
bewies es, daß sich das Wasser erwärmte, wenn er den Draht unter
Strom setzte. Offensichtlich bestand also ein Zusammenhang zwischen Stromstärke,
Zeit und Wassertemperatur, sorgfältig notierte er alle Meßwerte und
konnte bald zeigen, das die pro Zeiteinheit in einem Draht erzeugte Wärme
dem Quadrat des Stroms im Draht proportional ist. Joule war erst zweiundzwanzig
Jahre alt, als er dieses Gesetzt entdeckte, das noch heute seinen Namen trägt,
das “Joulsche Gesetzt der elektrischen Stromwärme”.
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4. Das Geheimnis der Energieumwandlung
In den folgenden Jahren arbeitete Joule unermüdlich daran, die Wärmeentwicklung
bei mechanischen Vorgängen zu messen. Bald war er seinen Zeitgenossen
in der Genauigkeit seiner Meßmethoden, vor allem in bezug auf die
Temperaturmessung, weit überlegen.
Er verrührte Wasser und Quecksilber und kontrollierte die Temperatursteigerung
in Abhängigkeit von der aufgewendeten Arbeit. Er preßte Wasser
durch feinste Düsen, um die Reibungswärme zu messen. Er komprimierte
Gase und ließ sie wieder expandieren. In allen Fällen fand
er, daß sich die Umwandlung von Wärme in Arbeit und umgekehrt
von Arbeit in Wärme immer in demselben Verhältnis vollzieht.
Im Jahr 1847 trug Joule auf einer Tagung der British Association in Oxford
die Resultate seiner Arbeit vor. Als begeisterter Ruderer erklärte
er das physikalische Gesetz an einem für ihn naheliegendem Beispiel,
das bis heute in vielen Lehrbüchern der Physik zu finden ist: Die
Wärme, die beim Paddeln durch Reibung entsteht, führt zu einer
- wenn auch unmeßbar geringen - Temperaturerhöhung des umgebenden
Wassers. Bei geeigneter Versuchsanordnung gelingt es jedoch, dieUmwandlung
von Arbeit in Wärme direkt zu messen.
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Um das zu beweisen, hatte Joule ein Schaufelrad mitgebracht,
das sich in einem Wasserbecken drehte.
An einem Thermometer war die langsam ansteigende Temperatur abzulesen. Daraus
leitete er die allgemeine Regel ab, “daß, wann immer lebendige
Kraft - scheinbar - verichtet wird, sei es durch Reibung, Schlag, oder auf
ähnliche Art, immer auch ein exaktes Äquivalent an Wärme
erzeugt wird”. Das war nichts anderes als eine erste Formulierung
des allgemein gültigen Satzes von der Erhaltung der Energie. |
Die Universitätsstadt
Oxford: Hier referierte Joule erstmalig über das "mechanische
Wärmeäquivalent". |
5. Sternstunde der Wissenschaft
Unter den Zuhörern in Oxford befanden sich bedeutende Wissenschaftler,
darunter Michael Faraday (1791 - 1867). Doch niemand schien zu begreifen,
welche Bedeutung die vorgetragenen Erkenntnisse hatten. Nachdem aus dem
Auditorium keinerlei Resonanz gekommen war, meldete sich ein junger Mann
zu Wort, und klärte die Zuhörer darüber auf, daß
sie soeben eine Sternstunde der Wissenschaft erlebt hatten. Erstmals sei
der Beweiß erbracht worden, daß zwischen Arbeit und Wärme
ein enger Zusammenhang besteht. James Prescott Joule hatte das “mechanische
Wärmeäquivalent” gefunden. Der junge Mann, der auf diese
wissenschaftliche Sensation aufmerksam machte, war William Thomson (1824
- 1907), der spätere Lord Kelvin. An diesem Tag begann eine vierzig
Jahre dauernde Freundschaft zwischen den beiden Physikern. Etwa zwanzig
wissenschaftliche Arbeiten und einige grundlegende physikalische Gesetzte
sind mit dem Namen der Freunde Joule und Thomson verbunden, so der in
der Kältetechnik benutzte “Joule-Thomson-Effekt”, der
die Abkühlung eines frei expandierenden Gases beschreibt, und der
“Joule-Thomson-Drosseleffekt”, welcher bei der Gasverflüssigung
eine wichtige Rolle spielt. In zahlreichen Aufsätzen und populärwissenschaftlichen
Vorträgen beleuchtete Joule sein Thema aus immer neuen Blickwinkeln.
Er erklärte, warum die Sternschnuppen glühen, woher die Energie
der Passatwinde stammt, warum sich der menschliche Körper beim Bergsteigen
erhitzt.
Mit großer Erfindungsgabe entwarf er seine Experimente, mit außerordentlichem
Scharfsinn beschrieb er seine Beweisführung. Und doch hatte Joule
es schwer, sich im Kreis der großen Wissenschaftler zu behaupten.
Die Erkenntnis, das Joule ein neues Kapitel der theoretischen Physik aufgeschlagen
hatte, setzte sich nur ganz allmählich durch. |
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Man nahm ihn nicht so ganz ernst,
was vielleicht auch auf sein äußeres Erscheinungsbild zurückzuführen
war.
Den so elegant er seinen Aufsätzen argumentierte so unbeholfen und
schüchtern gab er sich im persönlichen Gespräch. Es fehlte
ihm die mitreißende Sprachbeherrschung, sein Vortrag war trocken und
einschläfernd. Seine linkischen, immer etwas nervösen Bewegungen
hatten etwas Bäuerliches an sich. Allein sein schöner Kopf und
die klugen Augen verrieten die hohe Intelligenz und den wachen Geist. Dazu
kam noch etwas anderes: Die Kühnheit seiner Gedankenflüge und
die Präzision seiner wissenschaftlichen Beweisführung stand in
merkwürdigem Gegensatz zu seiner Haltung in politischen Fragen und
mehr noch in seinem Lebensstil. Joule war politisch, aber auch in geschäftlichen
Dingen stockkonservativ. Als Präsident der literarischen und philosophischen
Gesellschaft von Manchester widersetzte er sich jeglichem Versuch, ihre
manchmal reichlich verzopften Traditionen zu ändern. In der Welt der
Wissenschaft war James Prescott Joule zwar sehr bekannt, aber nie richtig
populär , genau wie die heute nach ihm bannte Maßeinheit. |
Joule House Acton Square
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6. Familiäre Krise und finanzielle Katastrophe
Nur selten erfuhr Joule öffentliche Anerkennung. Die Königliche
Akademie der Wissenschaften in Turin wählte ihn im Jahr 1849 zu ihrem
Mitglied, ein Jahr später erhielt der 32jährige die Royal Medal
und wurde Mitglied der Königlichen Gesellschaft. Damit hatte Joule
jedoch den Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere auch schon
erreicht. In den folgenden vier Jahrzehnten konnte er keine aufsehenerregenden
Erfolge mehr erzielen. Viel trug dazu die familiäre Situation bei.
Der Vater erkrankte schwer, James mußte die Leitung der Brauerei
übernehmen. Seine Frau, die Tochter eines Zollbeamten, starb in jungen
Jahren und hinterließ ihm zwei kleine Kinder. Wenig später
starben kurz nacheinander auch der Vater und der jüngere Bruder.
Diese Schicksalsschläge stützten Joule in eine tiefe Krise.
Die Brauerei kam in wirtschaftliche Schwierigkeiten und mußte verkauft
werden. Plötzlich befand sich der reiche Bierbrauersohn und Amateurwissenschaftler
in finanziellen Schwierigkeiten. Joule fand Unterstützung bei Freunden,
auch Königin Victoria setzte ihm eine Jahrespension von 200 Pfund
aus, was ihm ein bescheidenes, aber immerhin sorgenfreies Auskommen sicherte.
Seine einzige Kontakte pflegte er mit der Royal Syciety. Doch ein Unfall
zerschnitt bald auch diesen letzten Draht zur Welt der Wissenschaft. Auf
dem Heimweg von einer Tagung in London entgleiste der Zug, die Waggons
kippten um begruben viele Reisende unter sich. Joule, der im Augenblick
des Unglücks ein mathematisches Buch gelesen hatte, kam mit dem Leben
davon. Aber er weigerte sich, jemals wieder eine Eisenbahn zu benutzen.
Die Besuche der Royal Society hörten auf, Joule war nicht nur gesellschaftlich,
sondern nun auch wissenschaftlich isoliert.
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7. Irrtum auf dem Totenbett
In seinem letzten Lebensjahrzehnt wurde es still um den großen Gelehrten.
Seine Lebenskraft war gebrochen, seine Gesundheit verschlechterte sich, oft
litt er unter hartnäckigem Nasenbluten, die Arbeitskraft ließ nach.
Nur noch selten meldete er sich zu Wort, beispielsweise mit der Anregung für
ein elektrisches Schweißverfahren (das im Prinzip noch heute angewendet
wird) oder mit der Konstruktion einer Quecksilbervakuumpumpe. Doch die Welt
nahm von diesen Erfindungen keine Notiz. Joule zog sich in sein Haus in Sale
(bei London), Wardle Road 12, zurück und mochte keine Menschen mehr sehen.
Nach langer Krankheit starb er am 11. Oktober 1889 in Sale bei London. Auf dem
Sterbebett hatte er mit Resignation auf sein Leben zurückgeblickt: “Ich
habe in meinem Leben zwei oder drei kleine Dinge geleistet, aber nichts, wovon
sich irgendein Aufhebens machen ließe.” Das war sicher nicht der
einzige, wohl aber der größte Irrtum seines Lebens. |
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8. Umrechnung:
Joule (J) ist die abgeleitete SI-Einheit der Arbeit, der Energie und der
Wärmemenge.
Definition: Das Joule ist die Arbeit, die verrichtet wird, wenn sich der
Angriffspunkt der Kraft 1 Newton (N) in Richtung der Kraft um 1m verschiebt.
1Joule = 1 Newton (N) m = 1 (m² kg)/s² = 1 Wattsekunde (Ws)
1J = 0,239 cal
1 cal = 4,1868 J
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